Kannst du nicht war gestern
Hier der ungekürzte Presseartikel zur Zirkuswoche:
„Zirkus ist doch eigentlich immer an unserer Schule“, mag so mancher gedacht haben, als die Idee aufkam, ein Zirkusprojekt durchzuführen. Und dann, nach vielen Monaten der Organisation und Planung, stand er am Ende der Osterferien da, der Truck des wandernden pädagogischen „Circus ZappZarap“ mit einem großen Anhänger. Darin unter anderem ein Zirkuszelt für 300 Zuschauer. Ein Team der Schulfamilie (Eltern, Förderverein, Kollegium) baute es in einem sechsstündigen Kraftakt am Sonntag auf.
Vorausgegangen war der Woche eine eintägige Zirkusfortbildung für alle Mitarbeiter der Schule, die dabei selbst in die Rolle der Lernenden geschlüpft waren und eine Show für die Schüler einstudiert hatten. Mit dieser Zirkusshow startete die Projektwoche für die Schüler und diese würdigten die Anstrengungen und auch manches Scheitern ihrer Lehrer und Erzieher mit tosendem Applaus.
„Gerade zu sehen, dass auch wir mal scheitern“, so Heilpädagogin Nicole Kiechle, sei eine „wahnsinnig wichtige Erfahrung“ für die Kinder und Jugendlichen. „Dass Fehler zum Lernen dazugehören“, das müssten sie verinnerlichen, pflichtet Lehrerin Anna Guggemos bei. Ein Zirkusprojekt sei der perfekte Ort für diese Art des Lernens. Ivo Lindemann, langjähriger Zirkuspädagoge und Leiter des Projekts, weiß, dass die Schülerinnen und Schüler beim Zirkustraining neue Ausdrucksmöglichkeiten entwickeln und der eine oder die andere vielleicht ein verborgenes Talent entdeckt.
Das Tolle am täglichen Training in selbst gewählten Kleingruppen war, „dass unsere Schülerinnen und Schüler wirklich mit allen Sinnen gelernt haben“, so Konrektor Christian Frey. Auf den ersten Blick scheint das motorische Lernen im Vordergrund zu stehen, doch „das soziale Lernen, das nebenbei stattfindet, wenn ein Neuntklässer einen Erstklässler in einer Akrobatikpyramide festhält und sichert“, sei im Grunde noch wichtiger.
Auch emotional haben viele Schüler während dieser Woche einen großen Schritt gemacht. „Der Auftritt im Zirkuszelt kostet schon viel Überwindung, Lampenfieber hatte eigentlich jeder“, erklärt Erzieherin Gaby Schertler. Wer sich aber überwunden hat und vergangenen Freitagabend oder Samstagvormittag in der Manege des vollbesetzten Zirkuszeltes stand, der konnte durch den Applaus gestärkt hervorgehen.
„Wenn ich sehe, wie ein Mädchen mit Autismus, das sich nie anfassen lassen will, sich von einem Trainer beim Seiltanz führen lässt und am Ende vor dem Publikum posiert, dann rührt mich das zu Tränen“, erzählt Nicole Kiechle. „Selbstvertrauen fördern, Selbstwirksamkeit spüren und neue Aufgaben als Herausforderung sehen – das sind Ziele, die wir an unsere Schule schon immer verfolgen. Mit Zirkus lässt sich das wunderbar erreichen – die Schüler haben in dieser Woche Lebenskünste trainiert“, so Schulleiter Eberhard Vaas. Nicht umsonst lautet der Slogan von ZappZarap: Kannst du nicht war gestern! Als die Vorstellung am Samstag das Ende der Zirkuswoche einläutete, konnte auch die kleine Selina aus der Grundschulstufe eine gewisse Wehmut nicht verbergen: „Eigentlich könnte doch immer Zirkus sein“. Trainer Ivo weiß aus seiner langjährigen Erfahrung, als er in den Truck steigt: „Das Zelt geht, aber der Zirkus bleibt“.